Hier und da habe ich meine zweite Familie schon erwähnt. Aber ich habe noch nie geteilt, wer sie wirklich ist. Ein paar Mal im Jahr fahre ich sie besuchen und merke immer wieder, dass ich dort mehr teilen und fühlen kann, als mit meiner richtigen Familie. Auch wenn ich meine Brüder und meine Mutter liebe, es ist anders.
Meine Yoga-Familie war noch keine richtige Familie, als ich Jeppe Juhl Christensen und Katharina Kopp in Kopenhagen kennenlernte. Ich war gerade nach Kopenhagen für ein Praktikum gezogen und hatte mir einen Gutschein von einemDänischen Äquivalent zu Groupon für fünf Klipper (Einheiten) JeppeYoga geholt. Ich hatte keine Ahnung, wer Jeppe war, aber ich wusste, dass er Ashtanga Yoga anbietet und dies ganz in der Nähe meines Praktikumsplatzes. Also fing ich an, im Herbst 2015 meinen Gutschein aufzubrauchen. Meine erste Stunde hatte ich in der Yogaschule noch mit Jeppe selbst. Ich erinnere mich, wie ich bereits in der ersten Stunde merkte, dass ich noch nie einen Unterricht gehabt hatte, wo der Lehrer so viel rumläuft und so intensive Hilfestellungen gibt. Der Gedanken, dass die Hilfestellungen irgendwie einer sexuellen Belästigung gleichkommen könnten, kam mir nie. Aber das liegt sicherlich an meiner Tänzerin-Vergangenheit in den Lateinamerikanischen Tänzen, wo alles noch etwas mehr touchy touchy war. Jedenfalls kann ich nicht vergessen, wie gut sich diese Art von Unterricht für meinen Körper angefühlt hatte und ich dachte nur „Hör nicht auf! Es fühlt sich so gut an!!!“. Da ich noch keine Ashtanga-Yoga-Expertin war, hatte ich nicht wirklich verstanden, dass es nicht viel mit dem klassischen Ashtanga zu tun hatte, bis auf die Sequenz. Jeppe informierte mich auch, dass es eine sehr gute Lehrerin aus Deutschland in der Schule gäbe, die immer donnerstags auf Englisch unterrichtet, sodass ich den Unterricht besser verstehen könnte. Nachdem mein Dänischkurs leider auf die Zeit von Jeppes Unterricht gelegt wurde, war ich dann auch gezwungen, JeppeYoga bei der deutschen Lehrerin in der Schule auszuprobieren – Katha. Der Beginn einer wunderbaren Freundschaft…
Lange Zeit ging ich artig einmal wöchentlich zu JeppeYoga. Nachdem meine 5er-Karte aufgebraucht war, hatte ich Jeppe gebeten, mir einen Rabatt auf den normalen Preis zu geben, da ich Studentin war und mir den Unterricht nicht hätte leisten können, aber unbedingt weitermachen wollte. Das war kein Problem für Jeppe. Und nach fast einem Jahr JeppeYoga kam plötzlich meine Yoga-Intensivphase. Obwohl es nicht mein Lebensplan war, fühlte ich mich dazu hingezogen, mehr zu wissen, mehr zu machen, mehr zu fühlen, mehr zu lernen. Katha hatte mich für die Summer-School eingeladen mit einer Woche jeden Tag zwei Stunden Yoga-Practice. Jeppe und Katha wollten, dass ich zum Yoga-Retreat mitkomme – eine Woche vor meinem Masterarbeit-Abgabetermin. Und ich hatte entschieden, dass ich eine einjährige Yogalehrerausbildung bei Jeppe beginne, obwohl ich drei Monate später bereits nach Deutschland zurückziehen würde. Mein Kopf sagte immer „Nein, nein, nein! Das ist doch alles Blödsinn!“. Aber mein Herz hatte sich durchgesetzt.
Und so entstand die Yoga-Familie allmählich mit der Ausbildung. Wir waren nicht das erste Jahr einer Ausbildung bei Jeppe, aber anscheinend das Jahr, in dem die größte Verbindung zueinander aufgebaut wurde. Manche sind auf dem Weg zwar abgesprungen – aus privaten Gründen – aber mit den meisten bin ich noch sehr gut befreundet. In der Ausbildung haben wir geteilt, gelacht, geweint, uns Platz gegeben für das, was sonst im Leben nicht so einfach Platz findet. Jetzt besteht die engste Yoga-Familie aus Jeppe und Katha (die anscheinend auch damals schon ein Paar waren, was ich erst Monate nach meinem Kennenlernen von Katha herausfand), Siri (oben in Parivritta Trikonasana), Anne (unten links), Sarah (unten rechts), Mette und … mir. Aber es gibt auch weitere Familienmitglieder, die zwischenzeitlich Kinder bekommen oder sich etwas zurückgezogen hatten. Ich bin Teil der Familie, obwohl ich vielleicht 3 bis 4 Mal im Jahr in Kopenhagen bin. Und die Familie wächst…im Juni hat Mette ein Baby bekommen und Katha und Jeppe erwarten ebenfalls Nachwuchs.
Letztes Wochenende wurde in der Familie Hochzeit gefeiert. Nach einer langen Beziehung mit vielen Höhen und Tiefen, haben sich Katha und Jeppe das Jawort gegeben und das mit einem speziellen Fest gefeiert. Wer denkt, dass Yogi-Paare immer harmonisch zueinander sind und die Liebe automatisch in der Atmosphäre schwirrt, der hat sich bei den beiden gewaltig geschnitten. In der Ausbildung war immer Katha die erste, die Jeppe bei einer Aussage widersprach. Und Jeppe ist derjenige, der eine blöde Bemerkung macht, wenn Katha gerade ihre Meinung äußert. Aber deshalb sind sie auch mein Lieblings-Yoga-Couple. Sie bestehen nicht einfach aus Luft und Liebe, sind keine Hippies, die nur Yoga und Meditation brauchen, damit alles in der Welt gut wird. Das geht tiefer. Das tut weh. Aber, das ist auch, was sie wachsen lässt und voneinander lernen lässt, auf ihre eigene Art und Weise.
Als Katha und Jeppe bei ihrer Zeremonie voreinander saßen und sich in die Augen schauten, dachte ich: „Wow, das ist wahre Liebe!“ Ein Blick sagt mehr als tausend Worte, ein Blick brachte mich zum Weinen, wie ich es noch nie bei einer Hochzeit getan hatte. Vielleicht war es die Geschichte der beiden, die mich so rührte, vielleicht, dass ich wusste, das die beiden zusammengehören und es endlich geschafft hatten, dies auch zu verstehen und zu leben. Vielleicht ist es die Tatsache, dass ich das Gefühl hatte, dass ich den beiden viel zu verdanken habe in meinem Leben (unter anderem verdanke ich Katha mein Leben, als sie letztes Jahr im Retreat mir mit dem Heimlich-Handgriff meine mit Abendessen verschlossene Luftröhre freimachte! She is a tough woman!) und ich wollte, dass sie gemeinsam glücklich werden. Wie dem auch sei, wir haben in der Familie eine wunderbare Hochzeit gefeiert und freuen uns auf den Nachwuchs. Bald ist sicher in der Schule Rückbildungsyoga angesagt!